Uli Kaiser

Lisa (für Neuenzell):
Lieber Uli, wir haben uns ja bereits auf unserem „Tag der offenen, inneren Tür“ ein wenig kennengelernt.
Du hast von Deiner langjährigen Selbstständigkeit als Grafikdesigner und Fotograf berichtet, aber auch, dass Du bereits einige Jahre ältere Menschen betreust; außerdem bist Du ehrenamtlich in einer Suppenküche in Freiburg tätig.
Wie kommst Du als freier Unternehmer zur Arbeit mit Senioren und Deiner Mitarbeit mit Bedürftigen und wie verbindet sich das alles mit der Achtsamkeit?

Uli:
Ja, ich hole da jetzt mal etwas aus…Vor einigen Jahren war ich noch einer der Geschäftsführer einer großen Werbeagentur mit mehreren Angestellten; insgesamt waren wir bis zu zehn kreative MitarbeiterInnen.

Leider haben sich unsere Vorstellungen von Arbeit und einem gemeinsamen Miteinander im Laufe der Zeit immer weiter voneinander entfernt. Es hat sich dann eine sehr unangenehme Auseinandersetzung entwickelt, auch auf menschlicher Ebene. Wir haben uns dann getrennt und ich arbeite seither weiterhin selbstständig im eigenen Büro.
Dieses Erleben und auch tiefe, private Erfahrungen haben meine Haltung zu Arbeit und persönlichem Sein verändert.
Letztlich konnte ich mich immer weniger mit der herkömmlichen Art von Werbung verbinden, stellte Vieles infrage und suchte nach alternativen, neuen Wegen.

Lisa:
Ich bin gespannt….

Uli:
Durch „Zufall“ wurde ich dann selbstständiger Alltags-und Lebensbegleiter
erstmals für eine charmante, ältere Dame, deren Tochter sie wegen eigener gesundheitlicher Belastung nur teilweise begleiten und versorgen konnte. Sie brauchte dringend Unterstützung.

Als wir uns kennenlernten, sagte sie spontan:“ Genau so jemanden wie Dich suche ich!“
Dieser Satz von ihr berührte mich tief und es folgten sehr schöne, intensive 5 Jahre der
Begleitung der alten Dame bis zu ihrem Tod letztes Jahr. Andere Begleitungen folgten und
jedes Mal ist es anders, aber immer ein bereicherndes Miteinander, für mich ein wert-
volles Lernen und immer wieder mit älteren Menschen in enger Verbindung sein.

Mein Umschauen nach anderen Arbeitsformen hat mich – wieder zufällig- 2011 in die Freiburger Regionalgruppe des Netzwerks Achtsame Wirtschaft geführt, ich bin spontan in das Kloster EIAB in Waldbröl zu meinem ersten Retreat gegangen und konnte dort den achtsamen Umgang mit mir und anderen erleben. … Das war wie eine andere Welt, die mich seitdem nicht mehr losgelassen hat.

Mit Kai Romhardt, dem Gründer des Netzwerks, Dharmalehrer und Schüler von Thich Nath Han und Leiter des Retreats verbindet mich seither nicht nur eine innige Freundschaft; wir haben einige gemeinsame Projekte angeregt, darunter unseren Achtsamkeitskalender, den wir 4 Jahre lang miteinander herausgebracht haben. Kai hat die Texte erstellt und mein Part waren die Bilder und die Gestaltung ..ja, das war ein genüssliches, leichtes Miteinander mit gegenseitiger Wert-
Schätzung, wie ich es bisher so noch nicht erfahren hatte.

Lisa:
Es gibt da ein so genanntes Commitment, eine Selbst-Verpflichtung (MBC-Mindful Business Commitment) auf der Webseite des Netzwerkes, das ich sehr beeindruckend finde….

Uli:
Ja, das wird in den regelmässigen Treffen auch immer wieder besprochen bzw. wir tauschen uns darüber immer wieder aus, auch in der Regionalgruppe Freiburg, die ich leite.
Es geht dabei um die Haltung des Mitgefühls, um Herzöffnung, Güte, Distanz von der Identifikation mit dem Materiellen.
Ein Fokus, den Kai in Retreats und Seminaren immer wieder einbringt, ist unser Umgang mit Geld, ein sehr emotionales und fühlbar schweres Thema; hier sind auch schon öfters Tränen geflossen.

Lisa:
Wenn ich Dir so zuhöre, dann scheint es, dass Du „ganz zufällig“ immer wieder Entscheidungen getroffen hast, die Dich in Deine eigene Herzensbildung geführt haben…

Uli:
Das ist wohl so…ich hatte auch das Glück, mehrere Jahre aktives Mitglied einer Sufi-Gruppe hier in Freiburg sein zu dürfen und den weisen, sehr herzlichen Sheikh Burharnuddin Herrmann kennenlernen zu dürfen, der mich tief beeindruckt und geprägt hat.

Lisa:
Wie bist Du mit Neuenzell in Kontakt gekommen? Lass mich raten: zufällig..?

Uli:
Ja, irgendwie wieder mal. Ich habe Dorothee Krais auf dem Künstlermarkt in Herrischried als Ausstellerin kennen und schätzen gelernt; auch hier war sofort eine Verbindung da.

Lisa:
Du wirst nun im Oktober erstmals Deine Gruppen-Angebote in Neuenzell machen – kannst Du hier ein wenig über den Ablauf erzählen?

Uli:
Gern. Der Mindful-Working-Day ist ein besonderes Angebot, bei dem sich die Teilnehmenden gemeinschaftlich über ein, bzw. zwei Tage in Stille und Achtsamkeit in ein eigenes Arbeitsprojekt vertiefen, um sich Zeit zu nehmen für etwas, das in ihrem Alltag vielleicht zuwenig Beachtung findet wie bspw. die Neuausrichtung ihres Lebensweges, ein Marketing-Projekt oder ganz profan eigene Dateien auf dem Computer zu ordnen, jemand anderes möchte vielleicht sein Buch zu Ende schreiben oder damit anfangen..
Zu Beginn und am Ende des Kurses gibt es eine Meditation, dann stellt jede/r das eigene Vorhaben vor und schon gehts los:
jede/r finden einen Platz im Gemeinschaftsraum, um in Stille zu arbeiten jede halbe Stunde läutet eine Achtsamkeits-Glocke, die uns daran erinnert, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein.

Diese konzentrierte Präsenz vertieft den Arbeitsprozess, schafft aber auch einen kreativen Fluss, der vielfach als sehr wertvoll wahrgenommen wird.

Auch die Mahlzeiten finden in Achtsamkeit und teilweise in Stille statt.
Zum Ende des Kurses gibt es eine Austauschrunde über die eigenen Erfahrungen während des Tages; so wird jede/r Teil des Gesamtprozesses.

Das Mindful-Coworking ist einfach … und sehr wirkungsvoll.

Lisa:
Ja, das hört sich wundervoll an, so, wie die Verbindung von Business und Achtsamkeit ohnehin ein äußerst kostbares, möglichst immer weiter zu öffnendes Feld ist.
Es ist schön, dass Du mit dieser Arbeit den Weg nach Neuenzell gefunden hast.
Sei allerherzlichst willkommen ebenso wie Deine liebe Frau Sabine, die mit ihrer spürbar herz-zentrierten Jin Shin Jyutsu-Arbeit künftig unseren Ort hier auch bereichern möchte.
Danke Dir, lieber Uli

Uli:
Ich danke Dir auch, liebe Lisa für dieses Gespräch.

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