Neulich habe ich auf meinem meiner Spaziergänge einmal darüber nachgedacht, was eigentlich das Wesen von Achtsamkeit ist. Was bedeutet “achtsam” und was bedeutet es auch nicht? Achtsamkeit, Acht geben, Achtung, Achtung. Das kann alles schnell so einen Beigeschmack von Anstrengung, Aufpassen oder Konzentration bekommen. Dann wird das ganze Achtsamkeit-Business auf einmal lästig, wie etwas, für das ich mich irgendwie anstrengen soll, wo ich doch in Wirklichkeit bitte endlich mal Leichtigkeit, Entspannung und ein einfaches Sein suche. Ich suche innere Stille und Frieden und keineswegs einen neuen inneren Motivator, der nach Maßgabe der “Vorschriften für baldige Erleuchtung und allgemeines Gutmenschentum” meinen Innenraum zublökt mit der Aufforderung mir “mal ein bisschen Mühe” mit der Achtsamkeit zu geben.

Ich möchte entspannt sein dürfen. Hier sein, mit dem, was ich vielleicht gerade sehe, was ich vielleicht in der Hand halte oder höre. Ich möchte ganz verschwinden in dem, was ist. In den Wahrnehmungen des Waldes, durch den ich gerade gehe, in den Farben und Formen, die ich gerade male, in der Geschichte, die ich gerade lese. Ich will ganz darin sein und mich darin ganz vergessen. Eintauchen, untertauchen, weg sein, abschalten.

Und genau auf diese Weise eröffnet sich mir das Wesen der Achtsamkeit. Langsam schiebt es sich auf wie ein schweres Scheunentor und der sonnenhelle Tag dahinter sendet seine ersten Strahlen: mein Hiersein mit dem Wald (zum Beispiel) oder mit den Farben (beim Malen) bringt eine bestimmte, anstrengnungslose Form der Aufmerksamkeit mit sich, die aus der Liebe zum Schauen, Hören, Sprechen, Tun sich ganz dem widmet, was da geschaut, gehört, gesprochen und getan wird. Weil es Freude macht, ergibt sich eine Konzentration, die leicht ist, wie das zusammenfließen von Wasser in einer Mulde. Wenn die Aufmerksamkeit ihrer natürlichen Schwerkraft folgt, folgen darf, dann geschieht sie mit einer Konzentration und einer freundlichen Eingestimmtheit, die ich als Achtsamkeit bezeichne.

Ich kann auf eine Weise achtsam mit meinen Dingen sein, die eine Intimität, eine Verbundenheit und eine tiefe Wertschätzung enthält. Auf eine ganz einfache Weise kann ich mich über meinen Schreibtisch freuen und achtsam mit ihm umgehen. Um ihn zu erhalten, nicht zu zerstören. Vielleicht will ich keine heißen Tassen auf der Tischplatte abstellen, damit das Material keine Ringe bekommt. Und vielleicht ruft der Anblick der vielen Tassenringe auf meinem Küchentisch liebevolle Erinnerungen an das vergangene Leben des Tisches wach, in dem diese Ringe entstanden sind. Auf diese Weise kann mein Küchentisch ein Botschafter sein und mir einen Reichtum des Lebens vor Augen führen.

Achtsamkeit bedeutet also: ein Hiersein, eine tiefe, wesensnahe Wertschätzung, eine Verbundenheit und Intimität mit dem, was mich umgibt. Vieles davon sind Herzensqualitäten, nach denen wir uns alle sehnen, die aber nicht immer leicht zugänglich sind.

Der Anfang aller Achtsamkeit kann also nur darin liegen, zuerst uns selbst zu hören. Uns unserem eignen Herzen zuzuwenden. Und seiner Nöte und Wünsche anzunehmen. Hier liegt der Anfang. Immer. Und für jede/n von uns.

Von hier aus kann sich eine natürliche Hinwendung entfalten, die wir Achtsamkeit nennen können.

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