Die Kunst des Erkundens oder – Wie „Nicht-Tun“ Raum schafft für Sich-leiten-Lassen von der Seele.
Die innere Erkundung – oder Inquiry – ist die zentrale spirituelle Praxis im Diamond Approach. Diese Praxis kann auch auf jedem anderen Weg, den wir gerade beschreiten, nützlich sein.
Es ist ein Weg des bewussten Eintauchens in unsere direkte unmittelbare Erfahrung im Moment – genau so wie sie ist, ohne sie verändern oder optimieren zu wollen.
Es ist eine Praxis des „Nicht-Tuns“, des nicht mehr Manipulierens – ohne die so gewohnte Bewegung hin zu einem Ziel, hin in einen erwünschten Zustand, oder irgendeine andere Verbesserung unseres Selbst.
Präsent zu sein mit allem, was im Bewusstsein auftaucht – ohne Ablehnung, ohne Anhaftung und ohne Vorlieben – ermöglicht es einer neuen, lebendigen Dynamik sich zu entfalten. Immer tiefere Ebenen können sich nach und nach im Bewusstsein zeigen.
Der Beginn einer Erkundung fängt also immer damit an, zu sehen, was gerade in unserer Erfahrung wahr, was real ist. Ausgangspunkt können zum Beispiel ganz gewöhnliche Körperempfindungen, Gefühle, Einsichten sein.
Tiefere Wahrheiten entlarven Identifizierungen und Projektionen
Unser tiefstes, essentielles Sein will sich zeigen, will sich offenbaren, ist dynamisch. Und aus dieser Dynamik unserer Seele entsteht eine Führung, ein roter Faden, der den Prozess des Erkundens und Erkennens immer weiter, ohne Ende, zu immer tieferen Ansichten und Dimensionen unserer lebendigen Wirklichkeit leitet – zu dem was wir in Wirklichkeit sind.
Ein Beispiel: es kann so sein, dass die Wahrheit, die wir zuerst sehen, die Wahrheit über das ist, was nicht wahr ist. Wir erkennen das Falsche als falsch. Wenn wir zum Beispiel in einer bestimmten Situation erkennen können, dass wir eine Vorstellung über uns selbst haben, ein Selbstbild – und dann auch unsere Projektionen auf andere Menschen sehen, wird klar, dass weder das aktuelle Selbstbild, mit dem wir identifiziert sind, noch die Projektionen wirklich wahr sind.
Ein solches tiefes Verstehen hat ganz natürlich große Auswirkungen auf unser ganzes inneres Erleben.
Die Verkrustungen des Egos beginnen sich aufzulösen, wenn wir Bilder als Bilder, Strukturen als Strukturen, Muster als Muster und Projektionen als Projektionen sehen. All diese werden durch unsere Überzeugung, dass sie Realität sind, geschaffen und zusammengehalten. Je mehr wir sie so sehen, wie sie wirklich sind, desto weniger glauben wir an sie und desto mehr beginnen sie sich aufzulösen und zu verschwinden.
Wir verstehen im Laufe solcher Klärungen immer besser, was Unmittelbarkeit der Erfahrung ist. Das heißt, wir erleben Dinge direkt. Und wir erkennen auch, dass wir uns selbst in dieser Unmittelbarkeit erleben. Wir erleben nicht nur den Inhalt der Erfahrung, sondern auch unser eigenes Bewusstsein.
Zum Beispiel: wenn wir in einem bestimmten Moment zum Beispiel eine Traurigkeit oder irgendein anderes Gefühl erleben – und dies vollkommen, mit Unmittelbarkeit erleben – dann können wir auch erkennen, dass wir diese Präsenz, diese Fülle, dieses Bewusstsein sind, das an einer bestimmten Stelle von dem Gefühl der Traurigkeit durchdrungen ist.
Wir können dann sagen: „Ich bin dieses existierende Bewusstsein – das sich dieser Traurigkeit bewusst ist“. Dieses selbst existierende Bewusstsein ist nun das Primäre in unserer Erfahrung. Alles andere – einschließlich all unserer Gefühle – ist sekundär und verändert sich ständig.
Und die Erkundung kann dann auch weiter gehen zur Frage, was denn das erfahrende Bewusstsein selbst ist. Und zur direkten Einsicht, dass das erfahrende Bewusstsein und die gemachte Erfahrung nicht getrennt voneinander sind, also wie ein Subjekt und ein Objekt, sondern auf sehr direkte Weise eins.
Spirituelle Tiefe findet Ausdruck und kann gelebt werden
Jede Erfahrung, die wir im Moment machen, ist untrennbar mit unserem Innersten verbunden. Nur: wir sehen oder erkennen das meist nicht. Unsere ganz alltäglichen Erfahrungen können zu einem Zugang zu tieferen Teilen unseres Selbst werden – zu einem Portal zu den verborgenen Wahrheiten der Gegenwart, zur Präsenz unserer innersten Essenz – und sogar zu den transzendenten Ebenen des Geistes.
Die Integration unserer alltäglichen Erfahrungen mit den transzendenten und zeitlosen Wahrheiten des Geistes und des Seins hilft uns, unsere spirituelle Tiefe auch auszudrücken, sie zu leben – so dass sie nicht nur eine innere Erfahrung bleibt, sondern sich durch uns hindurch ausdrücken kann.

